Was ist ein fiktives Baujahr?

Ein fiktives Baujahr stellt eine für die Wertermittlung relevante Abweichung vom ursprünglichen Baujahr dar, die entweder auf zeitlich später durchgeführte Anbauten und Erweiterungen oder auf zwischenzeitlich durchgeführte Modernisierungsmaßnahmen zurückzuführen ist.

So kann z.B. nach einer grundlegenden Sanierung bzw. Modernisierung sogar ein komplett neuer Lebenszyklus mit einer zu diesem Zeitpunkt neu startenden Gesamtnutzungsdauer für den jeweiligen Gebäudetyp beginnen (= neues fiktives Baujahr).

 

a) Fiktives Baujahr bei in mehreren Bauabschnitten hergestellten Gebäuden

Sofern das Gebäude aus verschiedenen Bauabschnitten besteht, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten errichtet wurden, kann ein fiktives Baujahr durch Interpolation ermittelt werden. Dabei werden die jeweiligen Baujahre der verschiedenen Gebäudeteile mit ihrem prozentualen Anteil am Gesamtgebäude multipliziert und anschließend addiert.

Beispiel:

  Baujahr Anteil am Gesamtgebäude
Bestehender Altbau 1957 35 %
Aufstockung und Anbau 1 1963 47 %
Doppelgarage 1982 18 %

 

Fiktives Baujahr:

1957 x 0,35 + 1963 x 0,47 + 1982 x 0,18 = 1964,32    gerundet: 1964

 

b) Fiktives Baujahr für teilweise oder umfassend modernisierte Gebäude [1]

 

Bei Gebäuden, die nach deren Errichtung teilweise oder vollständig modernisiert wurden, verlängert sich in vielen Fällen die Restnutzungsdauer zumindest anteilig. Zur Ermittlung einer längeren wirtschaftlichen Restnutzungsdauer kann auf das in Anlage 2 ImmoWertV beschriebene Modell zurückgegriffen werden, dessen Anwendung an einem Beispiel veranschaulicht werden soll.

Beispiel:

Bürogebäude mit Baujahr 1984 mit Wertermittlungsstichtag 10. 02. 2019

Gebäudealter 35 Jahre
Gesamtnutzungsdauer 60 Jahre gem. Anlage 1 ImmoWertV
Restnutzungsdauer 25 Jahre (hier rein technisch: 60 Jahre - 35 Jahre)

 

In den vergangenen ca. 5 Jahren wurden folgende Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt:

  • 2015 neue Heizungsanlage
  • 2016 Erneuerung sämtlicher Fenster, Glasfronten und Außentüren, Sanierung des Flachdachs
  • 2018 Modernisierung der WCs und Nasszellen

Gem. Anlage 2 ImmoWertV ergeben sich daher folgende Punkte:

Modernisierungselemente

max. Punkte

Bewertung

Dacherneuerung inkl. Verbesserung der Wärmedämmung

4

4

Modernisierung der Fenster und Außentüren

2

2

Modernisierung der Leitungssysteme (Strom, Gas, Wasser, Abwasser)

2

0

Modernisierung der Heizungsanlage

2

2

Wärmedämmung der Außenwände

4

0

Modernisierung von Bädern

2

2

Modernisierung des Innenausbaus, z.B. Decken, Fußböden, Treppen

2

0

Wesentliche Verbesserung der Grundrissgestaltung

2

0

 

20

10

Abbildung 35: Modernisierungselemente gem. Anlage 2 ImmoWertV

 

Da alle Maßnahmen innerhalb der letzten 5 Jahre stattfanden, wurde bei der Bewertung jeweils die Maximalpunktzahl angesetzt.

Falls die Maßnahmen weiter zurückliegen, wäre z. B. im Rahmen der Ortsbesichtigung zu prüfen, ob nicht eine entsprechend geringere Punktzahl bei dem jeweiligen Bauteil anzusetzen ist.

Abbildung 36: Auszug aus Anlage 2 ImmoWertV – Modifizierte Restnutzungsdauer

 

Die ermittelten 10 Punkte liegen nahe in der Mitte zwischen 8 und 13 Punkten, so dass interpoliert eine modifizierte Restnutzungsdauer zwischen ca. 34 und 35 Jahren herauskommt. Es ist empfehlenswert, die Restnutzungsdauer auf volle Jahre zu runden, so dass in diesem Beispiel eine Aufrundung auf 35 Jahre erfolgt.

 

1 Siehe § 4 i.V.m. Anlagen 1 und 2 ImmoWertV.

Zuletzt aktualisiert am 08.05.2024 von Petra Wutz.