Begründung der Verfahrensauswahl
Begründung der Verfahrensauswahl des umgekehrten Ertragswertverfahrens bei Kaufpreisaufteilungen anhand des Urteils des Finanzgerichts (FG) Berlin-Brandenburg vom 20.03.2024 – 3 K 3137/19 i.V.m. dem BFH-Urteil vom 20.09.2022, IX R 12/21, BStBl. 2024 II S. 61
Nach der Rückverweisung des BFH im Urteil vom 21.07.2020 IX R 26/19; BStBl II 2021, 373 hat das FG Berlin-Brandenburg im Urteil vom 20.03.2024 – 3 K 3137/19 in diesem Fall entschieden, dass neben dem Vergleichs-, Ertrags- und Sachwertverfahren auch das in den Grundlagenwerken der Verkehrswertermittlung[1] beinhaltete umgekehrte Ertragswertverfahren gem. § 21 Abs. 2 i.V.m. § 11, § 40 Abs. 5 Nr. 3 und § 43 ImmoWertV, das als Kaufpreisaufteilung nach Jacoby®[2] bezeichnet wird, gleichwertig zur Kaufpreisaufteilung bei Grundstücksanschaffungen gem. § 6 Abs. 1 ImmoWertV ausgewählt und durchgeführt werden darf.
Denn im BFH-Urteil vom 20.09.2022, IX R 12/21 (a. a. O.) Randziffer 41 und 47[3] i.V.m. dem Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 20.03.2024 – 3 K 3137/19 wurden alle bisherigen Gegenargumente der Finanzverwaltung bzgl. der Kaufpreisaufteilung nach Jacoby® gem. § 21 Abs. 2 i.V.m. § 11, § 40 Abs. 5 Nr. 3 und § 43 ImmoWertV geklärt bzw. widerlegt.
Demzufolge ist die Kaufpreisaufteilung nach Jacoby®[4] u.a. gem. der höchstrichterlichen Rechtsprechung als sachverständige Begründung[5] bundesweit anzuerkennen und ist als aktueller Stand der Technik somit der Maßstab auch für alle anderen Fälle zur Kaufpreisaufteilung.
Zur im konkreten Einzelfall jeweils individuell zu begründenden Verfahrensauswahl weist das FG Berlin-Brandenburg im Urteil vom 20.03.2024 – 3 K 3137/19 ausdrücklich darauf hin, dass sich in der ImmoWertV generell nur Verfahren zur Ermittlung des Gesamtwerts bebauter Grundstücke einschließlich der baulichen Anlagen finden.
Somit ist bei der Verfahrensauswahl aufgrund des sog. Repartitionsproblems6 bzgl. der bei Kaufpreisaufteilungen erforderlichen Ermittlung von im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nicht separat gehandelten Boden- und Gebäudewertanteilen insbesondere zu berücksichtigen, dass ein Wertermittlungsverfahren für die Kaufpreisaufteilung ungeeignet ist, wenn damit ermittelte Vergleichs-, Ertrags- oder Sachwerte die tatsächlichen, an einem angemessenen bzw. geeigneten Kaufpreis zu messenden Wertverhältnisse nicht einmal annähernd abbilden können. Dies ist bei einer Abweichung von mehr als 20 % mit hoher Wahrscheinlichkeit sachgerecht anzunehmen.
Beispiel Summe des Immobilienwerts gem. BMF-Arbeitshilfe (100 %) vs. Kaufpreis
Demzufolge ist die ImmoWertV mit den darin beinhalteten Vergleichs-, Ertrags- oder Sachwertverfahren auch nicht abschließend, so dass gem. der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Möglichkeit besteht, Wertermittlungsverfahren weiterzuentwickeln oder neue Verfahren zu entwickeln.7 Hierzu zählt sicher auch das umgekehrte Ertragswertverfahren, das sich einer Berechnungsmethodik bedient, die aus der ImmoWertV abgeleitet wird.
Als Begründung für die Verfahrensauswahl schließt sich das FG Berlin Brandenburg im Urteil vom 20.03.2024 – 3 K 3137/19 den Sachvorträgen der Gerichtssachverständigen an, dass beim umgekehrten Ertragswertverfahren dem Grundsatz der BFH-Rechtsprechung Rechnung getragen wird, nämlich dass die für unbebauten Grund und Boden ermittelten Werte nicht ohne weiteres der Bewertung bebauten Grund und Bodens zugrunde gelegt werden können.8
Dies hat zur Folge, dass im Rahmen von Kaufpreisaufteilungen die gegebenen Nutzungsverhältnisse als sog. aufgeschobene Liquidation gem. § 40 Abs. 5 Nr. 3 i.V.m. § 43 ImmoWertV für die Dauer der Nutzung (Restnutzungsdauer) durch den Ansatz eines nutzungsspezifischen Bodenwerts zu beachten sind, so wie dies u.a. beim umgekehrten Ertragswertverfahren im Gegensatz zum Vergleichs-, Ertrags- oder Sachwertverfahren modellbedingt bereits berücksichtigt wird. Diese Vorgehensweise wurde im BMF-Schreiben vom 10.10.2024 bestätigt (GZ IV D 4 – S 30102010001 003; DOK 20240860337).
Dies ist ein wesentlicher Vorteil des umgekehrten Ertragswertverfahrens gegenüber den „klassischen“ Vergleichs-, Ertrags- oder Sachwertverfahren und somit auch die Begründung für dessen Verfahrensauswahl.
6 Kleiber, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 10. Aufl. 2023, § 40 ImmoWertV Rn. 82
7 BFH-Urteil vom 20. 09. 2022, IX R 12/21, BStBl 2024 II S. 61, II. 2. b). der Gründe
8 BFH-Urteil vom 15. 01. 1985 - IX R 81/83, BStBl II 1985, 252, 1. b) Rz. 21 Satz 3
1 Kleiber, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 10. Auflage, 2023, Köln, Reguvis Fachmedien GmbH, S. 2110 ff., Kleiber, Marktwertermittlung nach ImmoWertV – Praxiskommentar zur Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 9. Auflage, 2022, Köln, Reguvis Fachmedien GmbH, S. 1787 ff. und Kleiber-digital, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, Online-Version des Standardwerks zur Wertermittlung, Teil IV, Nr. 2, Teil 4, Abschnitt 1, § 40, Kap. 4.3 (Stand Januar 2022)
2 Diese Vorgehensweise wurde im Rahmen der Dissertation von Jacoby, Kaufpreisaufteilung für bebaute Grundstücke – Problematik und Lösungsansatz, 12/2018, Karlsruhe, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Fakultät der Wirtschaftswissenschaften gem. § 21 Abs. 2 i.V.m. § 11 ImmoWertV speziell für die besondere Aufgabenstellung modifiziert und unter www.kaufpreisaufteilung.de als Berechnungstool bereitgestellt. Die Kaufpreisaufteilung nach Jacoby® basiert auf der seit Jahrzehnten bei der Ermittlung von Kostenmiete, Liegenschaftszins gem. § 21 Abs. 2 ImmoWertV und Bodenwert bewährten Umkehrung des Verfahrensgangs des Ertragswertverfahrens, siehe hierzu Kleiber, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, (a. a. O.), u.a. S. 1278, Kap. 3, Rz. 68 ff. sowie S. 1692, Kap. 3.8, Rz. 291 ff.
Siehe auch Jacoby / Geiling, Kaufpreisaufteilung bei Grundstücksanschaffungen – Quo vadis?, DStR 2020, 481 ff. sowie Jacoby / Geiling, Kaufpreisaufteilung bei Grundstücksanschaffungen 2.0 – das Ende der BMF-Arbeitshilfe, DStR 2021
3 Siehe auch BFH-Urteile vom 21.07.2020 – IX R 26/19, BStBl II 2021, 372, vom 16.09.2015 – IX R 12/14, BStBl II 2016, 397 und vom 15.01.1985 – IX R 81/83, BStBl II 1985, 252 bzgl. der Vorgängerversion „Wertermittlungsverordnung (WertV)“ i.V.m. Kleiber, Verkehrswertermittlung von Grundstücken (a. a. O.), Grootens, Kaufpreisaufteilung bei Grundstücken nach der BFH-Entscheidung zum vereinfachten Sachwertverfahren, BBK 24/2020, 1178 ff. und Grootens, Kaufpreisaufteilung bei Grundstücken anhand des umgekehrten Ertragswertverfahrens, BBK 2021, 209 – 210.
4 Kleiber, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 10. Aufl. 2023, § 40 ImmoWertV, Rn. 138 ff.
5 BFH-Urteil vom 21.07.2020 – IX R 26/19 (a. a. O.) Rz. 15 und Rz. 16